Lotto Rechtslage

Glücksspielstaatsvertrag & aktuelle Rechtslage

Wir möchten mit diesem Artikel dem geneigten Leser Hintergrundinformationen zur gesetzlichen und politischen Lage rund um das Thema Glücksspiel vermitteln.

Der Glücksspielmarkt in Deutschland allein ist derzeit ca. 14 Milliarden Euro schwer – jährlich.
Jahrzehntelang war dieser lukrative Markt allein den staatlichen Lotteriegesellschaften vorbehalten, gesichert durch das deutsche Glücksspielmonopol. Bedingt durch die Öffnung der Märkte in der EU und auch der zunehmenden Verbreitung des Internets sehen sich die staatlichen Lotteriegesellschaften jedoch zunehmend dem europäischen Wettbewerb ausgesetzt.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf den lesenswerten Artikel der WELT „Wohin die Gelder des deutschen Staats-Lottos wirklich fließen“ hinweisen, in welchem besonders auf die Verstrickung der Politik mit den staatlichen Lotterieanbietern eingegangen wird.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass den staatlichen Lotterieanbietern wenig an der Liberalisierung des Glücksspielmarktes gelegen ist und diesbezüglich in Deutschland seit über 10 Jahren eine Verzögerungspolitik gefahren wird. Im Folgenden gibt es eine grobe Chronik der Ereignisse.

Chronik

Seit 2008 ist das Glücksspiel in Deutschland geregelt durch den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland – kurz: Glücksspielstaatsvertrag.

Bereits vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags hatte die EU-Kommission mehrfach auf dessen Europarechtswidrigkeit hingewiesen: Alle wesentlichen Regelungen des Staatsvertrags wurden als ungerechtfertigte Beeinträchtigungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in der EU beurteilt. Die EU-Kommission leitete im April 2006 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein und kündigte weitere mit Inkrafttreten des Staatsvertrags an.

Auch zahlreiche deutsche Gerichte hielten die geplante Regelung für rechtswidrig. Kartellrechtlich war und ist die Marktabschottung nach außen durch den Deutschen Lotto- und Totoblock mindestens bedenklich.

Die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene ursprüngliche Fassung des Glücksspielstaatsvertrags konnte die zuvor mehrfach geäußerten Bedenken der EU-Kommission nicht ausräumen, woraufhin prompt weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland folgten.

Nach wie vor ist sowohl nach Ansicht der EU-Kommission als auch seitens der Verwaltungsgerichte Gießen und Stuttgart die Einschränkung der im Europarecht verankerten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nur dann zulässig, „wenn die Glücksspiel- und Wetttätigkeit kohärent und systematisch begrenzt wird“ (Verwaltungsgericht Stuttgart). Stattdessen wurden im Glücksspielstaatsvertrag selektiv suchtrelevante Begrenzungen gelockert, was von erheblicher Werbung für das Glücksspiel seitens der staatlich lizenzierten Anbieter gefolgt wurde, obwohl gerade die Suchtbekämpfung eines der, wenn nicht sogar das Hauptargument für den Fortbestand des deutschen Glücksspielmonopols war und ist. Diesen Umstand beanstandete im September 2010 dann auch der europäische Gerichtshof: Das staatliche Monopol betreibe „intensive Werbekampagnen, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren“ und entferne sich damit „von den Zielen, die das Bestehen dieser Monopole rechtfertigen“.

Im Februar 2010 bekräftigte der EU-Kommissar für Binnenmarkt, Michel Barnier, vor dem Europäischen Parlament, die laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Glücksspielmonopole in EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland fortsetzen zu wollen. Deutlich wies er darauf hin, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Fall „Liga Portugesa“ von Ende 2009 nichts an der generell kritischen Beurteilung der Glücksspielmonopole durch die EU-Kommission geändert habe, und kündigte zudem an, unabhängig von den laufenden Verfahren eine Annäherung der Regelungen der Glücksspielmärkte in Europa voranzutreiben.

„Die Äußerungen Kommissar Barniers sind eine klare Warnung; Santa Casa ist kein Freibrief für Monopole. Die erheblichen Bedenken der Kommission am Glücksspielstaatsvertrag bestehen weiter.“, so Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes.

Die erste Änderung am ursprünglichen Glücksspielstaatsvertrag, der erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag, trat daraufhin am 1. Juli 2012 in Kraft. Wesentliche Bestandteile der Änderungen waren die Experimentierklausel, die Einführung eines Vergabeverfahrens für 20 Konzessionen an private Anbieter von Sportwetten. Dieses Vergabeverfahren wurde vom Verwaltungsgericht Wiesbaden im September 2014 in einem Eilbeschluss das Verfahren zur Vergabe von Sportwetten als intransparent und als Verletzung der EU-Dienstleistungsfreiheit bewertet und gestoppt, in seinem Urteil im Mai 2015 bestätigte das Verwaltungsgericht diesen Beschluss.

Im Februar 2016 erfolgte dann das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall Sebat Ince. Frau Sebat Ince musste sich wegen der „unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels“ vor dem Amtsgericht im bayerischen Sonthofen verantworten. In ihrer Sportsbar soll sie Sportwetten eines österreichischen Anbieters vermittelt haben, der über keine deutsche Lizenz, aber eine gültige Lizenz in Österreich verfügte.
Im Urteil befand der Europäische Gerichtshof die deutsche Glücksspielregulierung für klar europarechtswidrig, da das von mehreren Gerichten gekippte staatliche Glücksspiel-Monopol faktisch fortbestehe. Unter anderem deshalb dürfen private Anbieter, die zwar über keine deutsche Lizenz, jedoch über eine Lizenz aus einem europäischen Mitgliedsstaat verfügen, nicht von den deutschen Strafverfolgungsbehörden behindert werden, wie der Europäische Gerichtshof mitteilte.

Im Mai 2017 gab anschließend der Hessische Verwaltungsgerichtshof folgenden unanfechtbaren Beschluss bekannt:
„Mit Beschluss vom 29. Mai 2017, der den Beteiligten heute bekanntgegeben worden ist, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass das Land Hessen nicht berechtigt ist, von einem Sportwetten Veranstalter mit Sitz in Malta die Teilnahme an einem sog. Duldungsverfahren zu verlangen, um einer auf das Veranstalten von Sportwetten bezogenen Untersagungsverfügung bzw. einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren zu entgehen.

Zur Begründung hat der 8. Senat in seiner in einem Beschwerdeverfahren getroffenen Entscheidung ausgeführt, die Antragstellerin sei derzeit berechtigt, Sportwetten in Hessen zu veranstalten, ohne hierzu einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zu bedürfen. Die Veranstaltung von Sportwetten durch die Antragstellerin weise einen grenzüberschreitenden Bezug auf und falle daher in die europarechtlich geregelte Dienstleistungsfreiheit, in deren Ausübung die Antragstellerin derzeit nicht beschränkt sei.

Fazit

Der Glücksspielstaatsvertrag ist auch in seiner heutigen Fassung nach wie vor unvereinbar mit dem geltenden Europäischen Recht.

Für 2018 steht zwar die zweite große Änderung des Glücksspielstaatsvertrags an, aber auch dieser im März 2017 von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnete Entwurf des zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags wird bereits jetzt scharf von der EU-Kommission kritisiert.

Es bleibt somit kaum etwas anderes übrig als abzuwarten, ob und wann auch in Deutschland endlich eine verhältnismäßige und in sich widerspruchsfreie Regulierung des Glücksspielmarkts herbeigeführt wird, welche auch europarechtlich tragbar ist. Es häufen sich Gerichtsurteile, die auf eine Illegitimität der aktuellen Situation hinweisen, jedoch ist dem Deutschen Lotto- und Totoblock, wie Eingangs beschrieben, wohl kaum an einer baldigen Auflösung der Situation gelegen.

Für den Endkunden bedeutet dies in erster Linie Verwirrung. Die Teilnahme an einem Glücksspielangebot bei einem innerhalb der EU lizenzierten Anbieter ist jedoch nach unserer Einschätzung in keinem Fall illegal.